Januar 2017: Typisch deutsch
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché |

Welche Vorurteile haben Sie? Und wie viele? Nein, erzählen Sie mir nicht, Sie seien ein Mensch ohne Vorurteile. Das gibt es nicht. Liegt in unserer Natur, um zu überleben. Seit Urzeiten müssen wir schnell entscheiden, ist etwas oder jemand gut für uns oder eben nicht. Häufig haben wir nur äußere Merkmale als Bewertungsgrundlage. Der berühmte erste Eindruck. Stimmt, das muss noch kein Vorurteil sein, aber zumindest eine Vorverurteilung. Vorurteile sind bereits manifestiert. Manchmal harmlos: Frauen können nicht einparken. Männer hören nicht zu. Manchmal schädigend: Wenn wir dem anderen keine Chance geben, den Eindruck zu revidieren oder erst gar nicht aufkommen zu lassen. Viele Lebensbereiche bedienen ständig Vorurteile: Werbung, Politik, Kultur, Medizin… einfach in allen Bereichen des Lebens.

Immer wieder gut, wenn wir unsere Mechanismen selbst überprüfen. Warum reagieren wir so? Aus eigenen und damit verallgemeinernden Erfahrungen? Aus übernommenen und interpretierten Erzählungen? Weil wir durch unsere Erziehung und unser Umfeld dafür besonders empfänglich sind? Weil wir leicht auf Manipulationen hereinfallen? Weil es schon immer so war … Sprache transportiert unbewusst unsere Gedankenwelt. Wenn wir automatisch Begriffspaarungen nutzen. Früher der „langhaarige Bombenleger“ oder der „ungewaschene Sozi“, der „verklemmte Gartenzwerg-Sammler“. Heute der „klauende Nordafrikaner“ oder Schlimmeres. Die „lügende Presse“, der „korrupte Politiker“ oder das altbekannte, der „geldgierige Jude“. Bei der Suche nach der Quelle des (bösartigen) Vorurteils stoßen wir oft auf gezielte Steuerung, damit wir manchen Personengruppen gar keine Chancen geben. Gerade zum Aufputschen bei Kriegsgegnern. Und der Krieg beginnt nicht erst, wenn Bomben fallen.

Bleibt die Frage: Gibt es auch positive Vorurteile? Im Image oder als Auswirkung bei Handlungen. Ich lebe ganz gut mit dem Image, dass ich nicht einparken kann. So bestätige ich das Bild a) als Frau und b) als Blondine. Mit dem positiven Effekt: Mir wird das Einparken oft abgenommen (ok, so lerne ich es nie), und es wird keine zu große Erwartung an mich gestellt. Natürlich spielen wir auch im Marketing oft mit Vorurteilen. Wenn sich bei Automessen auf den Boliden halbnackte Modells räkeln. Pech nur, wenn viele Kaufentscheidungen durch Frauen getroffen werden, die das so gar nicht mögen. Natürlich ist die Identität, das Image, die Vorstellung einer Marke eine Form von Vorurteil. Zum Beispiel: Deutsche Autos sind solide. Kann stimmen oder nicht. Natürlich auch im Vergleich zu Automarken aus anderen Ländern. Schauen wir mal, was der Abgasskandal von VW daraus macht …

Das Thema ist unendlich. In den nächsten Monaten werden wir uns intensiv damit beschäftigen. Ach ja, was ist das typisch Deutsche? Verraten Sie es mir? Aus Ihrer Sicht. Und falls Sie „betroffen“ sind, was ist das typisch Deutsche an Ihnen selbst …

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