Ich schreibe Ihnen keinen Liebesbrief!
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

Na, haben Sie den Satz auf dem Bild entziffern können? Das ist kein Suahelisch und kein Arztbrief. Das ist meine Sauklaue. Als Schülerin habe ich wohl den Schönschreibkurs versemmelt. Oder gab es überhaupt einen? In Finnland wird gerade die Schreibschrift in der Schule abgeschafft und das Schreiben mit und am Computer eingeführt. Wie bei allem, was sich im Schulsystem tut, können wir darüber trefflich streiten. Wollen wir wetten: Wenn Sie meine Schrift nicht lesen können, plädieren Sie bestimmt dafür, dass ich nur noch tippe!

Mein Onkel sammelt stets meine Ansichtskarten das Jahr über, um sie sich von mir bei meinem Besuch vorlesen zu lassen. Was er nicht weiß: Manches erkenne ich selbst nicht wieder und erfinde die Wörter neu … Bin ja geistige Urheberin im geschriebenen wie im gesprochenen Wort. Aber was bedeutet das jetzt für unseren Umgang, privat wie beruflich? Gibt es dafür Regeln oder gar Tabus? Ein No-Go fällt mir ein: Kondolenzkarten gehen nur handschriftlich! Auch ein Liebesbrief wäre getippt wohl sehr unromantisch. Kaum vorstellbar, dass wir ein rosa Schleifchen um ausgedruckte Mails binden würden. Dabei ist heute fast alles möglich: Liebespaare finden sich per Tinder und Parship, beschimpfen sich per WhatsApp und am Telefon, trennen sich per SMS und öffentlich auf Facebook.

Und beruflich: Immer mehr Unternehmen wollen nur noch elektronische Bewerbungen, direkt standardisiert über definierte Masken oder zumindest als Pdf-Ausführung. Vorbei die Zeiten, als ein handgeschriebener Lebenslauf noch Aussagekraft hatte. Was habe ich daran rumgedoktert und meine Schrift verflucht. Alles anders heutzutage: Zum Meeting erscheinen wir mit Laptop oder Pad. Das Notizbuch im schönen Leder nutzt nur noch der Nostalgiker.

Und dann erlebe ich das: Ein Praktikant vom örtlichen Gymnasium erhält eine Aufgabe von mir. Er setzt sich vor einen unserer Apple  – und schlägt seinen Block auf. Ich bekomme es erst nach drei vollgeschriebenen Seiten mit. „Was tust du da?“, frage ich erstaunt und schaue mir seine ausformulierten Sätze an. Schnell wird klar: Er schreibt seine Arbeit komplett handschriftlich vor, um sie dann abzutippen. Für mich doppelt gemoppelt und somit ineffizient. Warum?, will ich erstaunt wissen. Aber dann wird klar: Er ist es nicht anders gewohnt. An seiner Schule gibt es keinen Computereinsatz. Der Fortschritt ist der Ersatz der Schiefertafel und keine Einführung von elektronischen Mitteln. Natürlich kann der Einwand lauten: Die Struktur erfolgt im Block, der Haupttext im Blog. Aber auch das geht über die Tastatur genauso gut, nur dass sich bereits getippte Sätze leicht übernehmen lassen.

So ändern sich die Zeiten. Und ich denke an meine mechanische Reiseschreibmaschine zurück. Tipp-Ex, Schere und Kleber waren viele Jahre meine wichtigsten Arbeitsmittel, um meine Artikel in der Redaktion einzureichen, wo sie dann erneut abgetippt wurden. Wie schnell habe ich mich an die neue Arbeitsweise gewöhnt. Alles eine Frage der Übung und der Einstellung. Da fällt mir ein: Ich könnte meinem Onkel mal wieder eine Karte schreiben. Handschriftlich und unleserlich? Oder getippt und unpersönlich? Ok, ich versuche die dritte Variante und strenge mich so richtig an!

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir – per Hand oder elektronisch…