Ich kann auch anders. Aber will ich?
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

Wer ein Unternehmen gründet, bekommt viele Tipps und Checklisten. Was muss getan werden? Businessplan für die Banken. Tausend Anmeldungen. Unzählige Formulare und Bescheinigungen. Wehe, man vergisst eine Formalie. Doch ist das alles? Wer bereitet einen auf die Stolpersteine der Selbstständigkeit vor? Die großen und kleinen Krisen sowie die täglichen Herausforderungen.

Dabei geht es für mich nicht um Zahlen und Auswertungen, sondern um den zwischenmenschlichen Umgang. Mit Mitarbeitern, Geschäftspartnern, Kunden. Und ganz besonders mit mir selbst. Ist ein Verhaltenskodex von Anfang an nicht auch eine Voraussetzung für einen guten Start und den weiteren Verlauf? Wie definiere ich mein Geschäftsgebaren und meine Prinzipien? Habe ich denn welche? Oder noch gewagter: Kann ich mir Prinzipien überhaupt leisten?

Die Basis dafür sind immer Werte. Definiert von der Gesellschaft und von jedem einzelnen. Dabei geht es um Schlagwörter wie Verantwortung, Respekt, Transparenz, Integrität und Rechtschaffenheit. Große Begriffe, die womöglich in ein Leitbild fließen. Das klingt nach Konzernen – und Theorie. Aber obliegt das alleine den großen Unternehmen und den Big Player? Die Definition der Compliance-Kultur. Nicht alleine die Notwendigkeit, sondern das Verständnis für die Sinnhaftigkeit. 

Wie wäre es, wenn wir den AGBs auch VGBs hinzufügen: Verhaltens-Geschäfts-Bedingungen. Gegenseitige Commitments. Gegenseitig? Wer mit wem? Als Chefin mit meinen Mitarbeitern. Als Dienstleisterin mit meinen Kunden. Als Auftraggeberin mit meinen Geschäftspartnern. Als Unternehmerin mit meinen Mitbewerbern. Mit allen im Sinne der Fairness. Ist ein Code of Conduct dabei hilfreich oder eher eine Hürde? Eines habe ich schnell gelernt: Weder Banken noch Finanzamt interessieren sich besonders für die persönlichen Maßstäbe. In unserer Welt zählt vor allem der zahlenmäßige Erfolg. Und doch: Wohl dem, der für seinen Werte-Maßstab einen Mahner und Berater hat. Der sich hinsetzt und sich über seine Marschrichtung alleine und mit anderen zusammen Gedanken macht.

Vor ein paar Wochen habe ich an einem Seminar teilgenommen: „Vom Umgang mit schwierigen Zeitgenossen“. Aus dem Schmerz heraus, weil ich mich an einem Kunden gerieben habe. Der ständig mit neuen Forderungen bei gleichem Kostenvoranschlag kam, immer wieder Absprachen nicht einhielt und schließlich einen Rechtsstreit androhte. Da musste ich meine Maßstäbe hinterfragen. Aber auch: Was hätte ich anders tun können? Wie weit mache ich gute Miene zum bösen Spiel?

Wer eine Führungsposition inne hat, ist ein Wesen mit vielen Facetten: im besten Fall Betriebswirt und Experte für sein Business, aber auch Psychologe und Zauberkünstler. Mal Motivator, mal Animateur, ganz oft Inspirator und immer wieder Diplomat. Auch wenn es mich noch so sehr reizt: Die Zunge darf ich niemandem rausstrecken. Das geschieht nur in unserem kleinen Film. Eher muss ich mich auf selbige beißen. Aber nicht bis zur Selbstverstümmelung. Wie weit das geht, dafür sollte man auch einen kleinen Kreis an Menschen um sich haben, die einem eine Einschätzung von außen geben. Und immer wieder die Maßstäbe hinterfragen und gegebenenfalls neu justieren. Und wer steht Ihnen zur Seite? Was sind Ihre inneren Richtlinien?

 

Was meinen Sie? Bitte schreiben Sie mir.

(Fotos und Animation: Jens Lingenau und Mischa Henke, Agentur exakt)