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Ich sehe was, was du nicht siehst
Wie alt mag dieses Kinderspiel sein: Ich sehe was, was du nicht siehst. Ich habe das immer mit meinen Eltern im Auto gespielt. Dabei den Blick für Details aus dem Umfeld und aus vorbei fliegenden Landschaften geschärft. Ein kommunikativer Spaß. Ich glaube nicht, dass ich mir damals gewünscht habe, meine Sicht nach draußen bräuchte mehr Abwechslung. Ich fand das Hier und Jetzt, vor allem den Austausch mit anderen, sehr spannend. Heute haben wir mehr Möglichkeiten. Autos haben als Sonderausstattung Monitore in den Lehnen für die Kinder auf der Rückbank. Wir daddeln an Handys und Tablets oder ziehen virtuelle Brillen auf. Wer braucht schon die Sicht in unsere Gegenwart?
Klar, ich höre bereits die Stimmen, mein Beitrag sei technikfeindlich oder würde den Fortschritt ablehnen. Aber die Welt ist nicht nur Schwarz oder Weiß. Gerade wer auf Technologien setzt, sollte offen im Denken sein. Alles weitreichend Neue braucht eine begleitende Diskussion. Über Vor- und Nachteile, Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft, Chancen und Risiken. In den Sozialen Medien werden von „Menschen Ü 40“ Bilder gepostet, auf denen sinngemäß steht: Wir haben früher im Matsch gespielt und waren auch glücklich. Stimmt, aber die Zeit bleibt nicht stehen. Da diskutiert der Psychologe Manfred Spitzer auf der einen Seite, und da ereifern sich die Experten vom Chaos Computer Club auf der anderen Seite. Beide haben aus ihrer Sicht recht: Der eine warnt vor zu frühem und zu exzessivem Umgang mit Computern, die anderen beschreien, dass Kinder in ihrer Entwicklung abgehängt werden, wenn Deutschland zuhause und in Schulen nicht aufrüstet. Was denn nun?
Die Generation Computer hängt uns digitale Steinzeitmenschen locker ab. Der jüngste Bewerber für einen Job bei unseren Neuen Medien war gerade mal 13 Jahre alt! Ein Crack, der für seine Leidenschaft lebt. Kein verfrühter Nerd, aber wohl ein ambitionierter Mark Zuckerberg von morgen. Wo also die Grenzen ziehen? Ich erinnere mich an ein Erlebnis vor ein paar Jahren. Da wurde eine Mutter von Lehrern informiert, dass ihr achtjähriger Sohn körperlich entwicklungsverzögert sei. Er müsse mehr Sport treiben, um seine Feinmotorik, seinen Gleichgewichtssinn und seine Fitness zu fördern. Der Kommentar der Erziehungsberechtigten: Warum? Er würde sowieso Computerspezialist. Da brauche er keine körperliche Schulung. Die Lebensplanung für den Grundschüler.
Bleibt mein Tipp, mal wieder „Ich sehe was, was du nicht siehst“ in der realen Welt zu spielen. Der Kopf als Spielort für unendliche Fantasien. Aufbauend auf Wissen, Empathie und der Wahrnehmung für unsere Umwelt. Gehen Sie los. Fahren Sie los. Zeigen Sie Kindern und Jugendlichen, wie die Welt um uns herum aussieht und was wir alles in ihr sehen und aus ihr lernen können. Übrigens: völlig unabhängig vom Alter!