August 2019: Buch lesen
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché |

„Was haben Sie für ein Hobby?“, werde ich manchmal gefragt. Mit meiner Antwort „Marmelade kochen“ rechnen die wenigsten. „Ich dachte, Sie sagen, das Ihr Hobby Lesen ist“, bekomme ich oft als Antwort. „Aber nein“, erwidere ich, „das ist kein Hobby, das ist Grundversorgung!“ Wenn mein Gegenüber ratlos schaut, setze ich hinzu: „Lesen ist eine Grundversorgung in meinem Leben wie Atmen, Essen oder Trinken!“ Der verdutzte Blick weicht einem lauten Lachen. „Doch, doch“, sage ich dann, „das meine ich ernst.“ Und ich kenne viele, denen es so geht. Ein Leben ohne Bücher, ohne Zeitungen und Magazine? Unvorstellbar! Ich würde verkümmern!

Über das Jahr verteilt rede ich mit vielen jungen Menschen. Bei Vorstellungsgesprächen, während eines Praktikums oder einer Ausbildung in unserer Agentur, bei IHK-Prüfungen oder meinen Projekten wie unserer Jugendzeitung RAVOLUTION. Lesen als Hobby gibt kaum noch jemand an. Allerdings auch nicht als Grundversorgung. Eine junge Frau erzählte mir, das ihr Lehrer von der Angabe „Lesen als Hobby“ in der Bewerbung abgeraten habe. Das sei out! Im Slang hätte ich mir die Haare gerauft und am liebsten geschrieen: „Ich krieg‘ die Krise!“ Lesen ist out? Kein Wunder, dass wir von postfaktischen Zeiten reden! Lesen ist wichtiger denn je.

Alles im Leben hängt von Lesen und den richtigen Quellen ab. Wie will man sich informieren? Wie will man Fake News erkennen und keinen Demagogen auf den Leim gehen? Wie will man sich unaufgeregt eine Meinung bilden, die man begründen und belegen kann? Wie will man in Gedanken auf den Mond fliegen oder eine Liebe auf der Titanic miterleben? „Sprich einen einzigen Satz – und ich höre, ob du liest!“ Kein Witz, ich höre es. Wortwahl und Satzbau. Argumentation und Beweisführung. Reflektion und Interpretation. Wissen und Horizont. Phantasie und Toleranz. Lesen ist das Tor zum grenzenlosen Leben.

Als ich vor drei Jahren eine Praktikantin nach einem aberwitzigen Gespräch fragte, woher sie denn diese Aussage habe, schaute sie mich mitleidig. „Was ist deine Quelle?“, hakte ich nach. Ihr Blick wurde verächtlich, ihre Stimme schnippisch: „Internet natürlich!“ Merke dir, was du liest und vor allem, wo du es liest. Gemeint ist nicht das Wohnzimmer oder ein anderer Lese-Ort, sondern natürlich die Medienquelle. „Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wie leicht du auf Trash und Fake news hereinfällst!“ Ein Hoch auf den Qualitätsjournalismus, auf hervorragende Sachbücher und phantasievolle Belletristik. Meine Sideboards, der Schreibtisch und auch das Nachttischchen müssen regelmäßig erleichtert werden. Überquellend von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Ich liebe Parallellesen …

Vor 15 Jahren habe ich übrigens einen Verein gegründet, bei dem ich jahrelang Vorsitzende war: „Leselust in Baden“. Wir haben unzähligen Kindern und Jugendlichen in Kitas, Schulen und bei Feiern vorgelesen. Daran habe ich viele schöne Erinnerungen – und an meine schon lange verstorbene Freundin, die preisgekrönte Buchhändlerin Marianne „Mäx“ Wasserburger aus Baden-Baden. Bücher sind Anstoß zum Denken und für Gefühle. Und sie sind Erinnerungen an Menschen, die mir Bücher geschenkt haben und mit denen ich Bücher besprochen habe. Dass der Monat August in unserem Kalender das Thema „Buch lesen“ hat, ist kein Zufall: Sowohl meine Mutter Gerda Kretschmer, die mich zum Lesen brachte, als auch meine Freundin Mäx hätten im August Geburtstag gehabt! Ich bin sicher, der Himmel hängt voller Bücher!