Dezember 2021: Sprache
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché |

„Tach auch, wie isset?“, so begrüßt man sich im Ruhrgebiet. Natürlich immer noch trotz geschlossener Zechen: „Glück auf“ in allen Bergarbeiterregionen. Sprache als Gewohnheit hat viel mit Standards zu tun. Das berühmte „Mahlzeit“ in Betrieben – oft unabhängig von der Tageszeit – ist eine Floskel. Vor allem wenn man sich bereits mehrmals am Tag gesehen hat. Mit Sprache machen wir es uns manchmal einfach. Nicht denken, plappern. Gerade bei Begrüßungen, beim Abschied nehmen, bei Kosenamen oder bei automatischen Antworten nach der Frage: „Na, wie geht’s?“ „Muss!“

Im Umgang zwischen Paaren fallen meistens die gleichen Kosewörter. Wie oft „Schatzi“, „Bärchen“, „Liebling“ oder „Hasi“ fällt, könnte Anlass für eine Zählstudie sein. Beim zufälligen Zuhören im Café, beim Einkaufen oder in privaten Runden. Natürlich auch mit nicht so so schönen Anreden … Da wird das Sprachritual zum abwertenden Wortgeklingel.

Die (möglichen) Schattenseiten der Rituale: Modewörter, die Trends setzen. Wann haben wir aufgehört „Bitte“ zu sagen, wenn sich jemand bei uns bedankt hat? Und stattdessen: „Gerne“. Gesteigert durch „sehr gerne“. Oder ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie oft Menschen „genau“ sagen? Wenn sie etwas präsentieren, auf Fragen antworten, ihre Meinung kundtun. Oft endet die Ausführung mit dem imaginären Ausrufezeichen: GENAU! Als ob sich Redner*in selbst Mut zusprechen möchte: „Ja, das stimmt,  was ich sage!“

Sprache als Ritual. Da kommen wir an der Jugendsprache nicht vorbei. Das gekürte Jugendwort 2021: „Cringe“. Ein Begriff für das Gefühl von Fremdscham. Habe ich gelesen, habe ich gelernt – und im Grunde wieder vergessen. Davor noch nie registriert. Aber klar, jede Generation hat ihre eigene Wortwahl. Auch ein Zeichen von Kreativität. Hören wir uns gegenseitig zu. Fragen wir, wenn wir etwas nicht verstehen. Freuen wir uns, wenn wir etwas dazulernen. Sprache wird erst zum Ritual, wenn wir Wörter gut finden, gerne nutzen und uns hoffentlich daran erfreuen. Vorsicht bitte, wenn wir unsere Kunden mit „Liebling“ anreden. Höchstens in Kombination: „Sehr geehrter Lieblingskunde, was dürfen wir für Sie tun?“ In diesem Sinne …