Juni 2021: Kennenlernen
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché |

Fangen wir im Prozess andersherum an: Dank Masken erkenne ich nicht mal Menschen, die ich bereits kenne. Ich habe keine ausgeprägte Gesichtsblindheit, aber ich muss mich bei Menschen, die ich nicht oft sehe, an Merkmalen in der Gesichtserkennung entlang hangeln: Brille? Bart? Mundform? Muttermal? Alles sieht mit Maske anders aus. Dies nur vorneweg, falls wir uns treffen: Ich bin nicht unhöflich, nur hilflos. Bitte sprechen Sie mich an.

Vielleicht ist das auch die Botschaft an Fremde: Bitte sprechen Sie mich an. Na ja, so radikal meine ich das natürlich nicht. Aber als Kind des Ruhrgebiets quatsche ich mich durchs Leben. Ja, ich bin die, die am Supermarktregal Wildfremde fragt: „Kennen Sie das Produkt?“ Mir fällt Kennenlernen leicht. Obwohl ich dafür im falschen Bundesland lebe: Der Badener, Schwabe, Württemberger, Kurpfälzer, Markgräfler tut sich mit meiner Art der seitlichen Kontaktaufnahme eher schwer. Das erkenne ich auch mit Maske an meinem Gegenüber, wenn der Blick ohne Worte sagt: „Was will die denn von mir?“ Abruptes Abdrehen der Person ist beredt genug.

Kennenlernen in der Corona-Welt 2020/21 dürfte für Singels und Einsame schwierig sein. Geht das auch über online chatten? So als Nebenergebnis bei den vielen virtuellen Weiterbildungsangeboten? Die persönliche Chat-Nachricht im Zoom-Meeting: „Haben Sie heute Abend schon was vor? Ich könnte Ihnen meine Briefmarkensammlung digital zeigen…“ Oder was man so in der Neuzeit sammelt. Woran man merkt, dass ich schon etwas älter und aus dieser Kennenlernphase lange heraus bin. Flirt-Tipps von mir? In Zeiten von FFP2-Masken geht nicht mal das: „Sie haben aber eine schöne Maske auf.“

Sprechen Sie mich ruhig an!
Ihre Ute Kretschmer-Risché